Hiltrud Rogner

Von der Pink Lady zur Grünen Dame


Das Konzept „Grüne Damen“ entstammt einem amerikanischen Modell und wird in den USA „Pink Lady“ genannt. „Frau Schröder, die Ehefrau des ehemaligen Außenministers hat dieses Modell mit nach Deutschland gebracht“, berichtet Hiltrud Rogner, die selbst wöchentlich in den grünen Kittel im evangelischen Krankenhaus Münster schlüpft. Drei Tage in der Woche helfen die Grünen Damen im Krankenhaus Patienten, schenken ihnen ein offenes Ohr, hören sich ihre Sorgen an, erledigen private Besorgungen für sie und leisten damit einen ehrenamtlichen Besuchsdienst. Zum routinierten Alltag von Hiltrud Rogner gehört es dann, von Zimmer zu Zimmer zu gehen und Seelsorgearbeit für die kranken und meist auch einsamen Patienten zu leisten.

„Es geht darum Zeit zu schenken, Angst zu vertreiben oder Patienten auf Spaziergängen zu begleiten“, erläutert Rogner. Insgesamt gehören 15 Grüne Damen und Herren der evangelischen Krankenhaushilfe an, in ganz Deutschland sind es sogar 12.000. Der Zeitaufwand für dieses ehrenamtliche Engagement ist immens, es gibt regelmäßige Fortbildungen, damit die Patienten kompetent betreut werden und sich genug Zeit für jeden Einzelnen genommen werden kann. Die 72-jährige Münsteranerin ist von einer Tennispartnerin zu den Grünen Damen bewegt worden. Die Tätigkeit bereitete ihr so viel Freude, dass sie blieb. Seit 1986 ist sie nun dabei und sieht ihre ehrenamtliche Arbeit als Geschenk. „Ich verschenke Zeit, viele Menschen möchten aber auch etwas zurückgeben, somit fühlt man sich selbst auch beschenkt“, berichtet Rogner. Durch den Kontakt zu anderen Menschen hat sich auch das Weltbild von Hiltrud Rogner verändert. Sie nimmt sich selbst nicht mehr so wichtig und hat gelernt, sich auch zurücknehmen zu können. Von den Patienten gibt es viel Resonanz, es gibt traurige und lustige Momente. Wöchentlich wird eine Spielrunde mit einer Vielzahl von Patienten veranstaltet. Diese Spielrunde hat sich jedoch mehr als Erzählrunde entpuppt, in der Sorgen auch kurzfristig vergessen werden können. Ziel dieses Abends ist es, die Menschen aus der Einsamkeit zu holen. Denn für alte Menschen bedeutet das Abendbrot oft, dass der Tag beendet ist und sie im Anschluss ins Bett gehen. Dies soll durch einen gemeinschaftlichen Abend in der Klinik verhindert werden. So finden Patienten in einen strukturierten Tagesablauf zurück und können gleichzeitig Zeit in der Gemeinschaft verbringen. Nach dem Wochenende bringen einige Grüne Damen beispielsweise die Fußballergebnisse mit in die Zimmer, um Fußballbegeisterten ein anderes sorgenfreies Gesprächsthema zu bieten, das ihnen zugleich Spaß bereitet und sie aufblühen lässt. So entwickeln die Grünen Damen ein Gespür dafür, welche Gesprächsthemen in welchen Momenten angesprochen werden können. Diese Sensibilität entwickelt sich nur durch langjährige Erfahrung und den regelmäßigen Umgang mit den Patienten. Hiltrud Rogner erinnert sich an einen schwer erkrankten Engländer, der so glücklich über die Hilfe ihre Hilfe war, dass er versprach, sich selbst für die Grünen Damen zu engagieren, wenn er wieder gesund ist. Tatsächlich ist er nach längerer Zeit zurückgekehrt und hat sich 1 ½ Jahre engagiert. Diese Geschichte hat Hiltrud Rogner sehr beeindruckt. Doch auch in vielen kleinen Momenten erhält man unendliche Dankbarkeit. Nicht immer sind alle Situationen schön und fröhlich. Grüne Damen müssen auch mit Ablehnung rechnen oder sehr traurige Geschichten begleiten. Wenn Menschen nicht mehr lange zu leben haben oder der Besuch von Wohnungen alkoholkranker Menschen stellt eine besondere Herausforderung dar. Daher dürfen sich Frau Rogner und ihre Kolleginnen keine Geschichte zu sehr zu Herzen nehmen. Da sie der Schweigepflicht unterliegen, ist es umso wichtiger, dass auch ihnen Seelsorger zur Seite stehen, mit denen sie regelmäßig Gespräche führen, um die Erlebnisse nicht mit in das private Umfeld zu tragen. Vor zwei Jahren hat Hiltrud Rogner schließlich die 15-jährige Leitung der Grünen Damen abgegeben und ist froh, eine geeignete Nachfolgerin gefunden zu haben, die dieses Amt mit großer Verantwortung weiterführt. Die ehrenamtliche Tätigkeit als Grüne Dame bereitet ihr immer noch so viel Spaß, dass sie sich auch heute erneut für diese entscheiden würde. Und das trotz ihrer Neugier, die sie immer erhalten möchte.