Friedrich Ostermann

„Der Pepp kommt von unten!“


Münster im Jahre 1945 – der Wiederaufbau der nahezu komplett zerstörten Stadt beginnt. Die Notwendigkeit von Räumungsarbeiten, um Straßen und Zugänge freizuschaufeln, vereint die Menschen zum Einsatz ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten – geleitet von einem selbstverständlichen Willen. „Wir wollten mithelfen, dass das hier wieder aufgebaut wird“, erinnert sich Friedrich Ostermann, emeritierter Weihbischof des Bistums Münster. Mit seiner Arbeitskraft bringt der heute 82-Jährige besonders die Räumungsarbeiten in der Gartenstraße, am Dom und in der Harsewinkel-Gasse voran, um Grundlagen für künftige Bauten zu schaffen.

Der Begriff des ehrenamtlichen Engagements wäre Ostermann zufolge in Bezug auf diese Tätigkeiten jedoch niemals gefallen – Jeder trug aus Selbstverständlichkeit seinen Teil zum Wiederaufbau der Stadt bei. Trotz widriger Bedingungen, dem Mangel an Gerätschaften und Lebensmitteln, überwiegt der Gemeinschaftssinn und der Wille, etwas zu bewegen, aktiv zu werden. Neben den Schutträumarbeiten setzt Ostermann auch seine handwerklichen Fähigkeiten ein, um insbesondere ältere und alleinstehende Menschen bei der Befestigung von Rollverglasungen sowie der Instandsetzung von elektrischen Einrichtungen in ihren Häusern zu unterstützen. Mit der Rückkehr junger Leute aus dem Krieg ergibt sich zudem die Notwendigkeit, gemeinsame Treff punkte zu schaff en und das jugendliche Leben der Stadt zu fördern. „Es war ja nichts los, da mussten wir schon selbst was losmachen“, erinnert sich Ostermann. Auch diese Notwendigkeit bewegt ihn zu tatkräftigem Engagement und zur Initiierung verschiedener Maßnahmen: den Bau und die Einrichtung von Jugendheimen, die Organisation von Ferienfreizeiten und Gruppenarbeiten für Jugendliche. Für die Stadt sei dieser Teil ehrenamtlicher Arbeit sehr bedeutend gewesen, da Jugendliche auf diese Weise Beschäftigung erhielten, sich trafen und kennenlernten, so Ostermann. Nach und nach gewinnt die Idee vom Austausch mit anderen Initiativen zur Förderung der Jugendarbeit an Bedeutung. In den Kellerräumen des Krameramtshauses, die vom Bombenkrieg verschont geblieben waren, entwickelt sich ein Ideenzentrum. Insbesondere die Begegnung mit Jugendlichen aus den verschiedenen Ortsteilen, die kreativen Herausforderungen und die Möglichkeit, Ideen in die Tat umsetzen zu können, führte die jungen Menschen zusammen. „Wir sahen die Notwendigkeit, wir sahen unsere Fähigkeiten – und die setzten wir ein“, schlussfolgert der emeritierte Weihbischof. „Es war ja nichts los, da mussten wir schon selbst was losmachen.“ Blickt Friedrich Ostermann auf die Jahre 1945 bis 1949 zurück, so stellt er insbesondere die spontan wachgewordenen Kräfte als prägend heraus, die sich aus der schlichten Notwendigkeit der Nach-Kriegssituation ergaben. Werden diese Kräfte frei und verfügen die Menschen über einen selbstverständlichen Willen, sich zu engagieren, passiere eine ganze Menge – sie müssen allerdings gestützt und gefordert werden, denn: „Der Pepp kommt von unten.“ 

Juliane Lipp