Sprache mit „hohem Gefühlswert“
„Das isser!“, tönte es an einem denkwürdigen Abend des Jahres 1961 aus der Stammtisch-Ecke der Gaststätte Freitag, als Hannes Demming, zu später Stunde vom Opernchor-Einsatz im Theater kommend, das Lokal betrat. Dort saßen seine Kommilitonen aus der Studentenverbindung Alania zusammen mit Konrad Maria Krug, dem damaligen künstlerischen Leiter der Niederdeutschen Bühne. Krug hatte zuvor in der Verbindung einen Vortrag gehalten – und die Studenten dann gefragt, ob sie nicht jemanden wüssten, der im Stück „Knubben“ von Franz Mehring den „Unwiesen Karl“ spielen könne.
Und die Studenten hatten genickt: Ja, da gebe es einen, der könne Platt sprechen und auch „Männekes machen“. Hannes Demming eben.
Es war der Beginn einer beinahe unendlichen Geschichte. Demming (der seit 1955 zum Extra-Chor des Theaters gehörte und deshalb in der nächsten Spielzeit sein diamantenes Bühnenjubiläum feiert), ist seitdem aufs Engste mit der Niederdeutschen Bühne am Theater Münster verbunden: als Schauspieler und Regisseur, als Autor und Übersetzer – und von 1974 bis 2009 auch als Vorsitzender.
Warum der ehemalige Studiendirektor, der unter anderem Latein, Griechisch, Englisch und Musik unterrichtete, so viel Zeit, Energie und Begeisterung in die Niederdeutsche Bühne investiert?
Hannes Demming nennt vor allem zwei Motive:
Zum einen sei es das Interesse an Sprache im Allgemeinen und am Niederdeutschen im Besonderen. Diese Sprache sei stark gefährdet – und habe überdies für ihn einen „hohen Gefühlswert“. Was damit zusammenhängt, dass Demming als Kind 1943 im Zuge der Evakuierung in Neuenkirchen bei Rheine landete und dort fast zehn Jahre verbrachte. „Da habe ich auf dem Schulhof Platt sprechen müssen – das war einfach eine Frage des sozialen Überlebens.“
Und zum anderen sei es „Freude am Theater, Freude, auf der Bühne zu stehen und mit anderen zu spielen“. Derzeit spielt Demming die Hauptrolle in „Malatt in’n Kopp“, Jean Baptiste Molières letzter Komödie („Der eingebildete Kranke“), die er selbst ins münsterländische Platt übertragen hat. Und nebenbei arbeitet der 78-Jährige schon an einem Stück für 2019 – wenn die Niederdeutsche Bühne ihr 100-jähriges Bestehen feiert.
Warum er nicht gleich Schauspieler geworden ist? Damit habe er durchaus geliebäugelt, räumt Demming schmunzelnd ein, aber bei der Berufsberatung habe man ihm damals bedeutet, dafür brauche man „einen bestimmten Typ von gut aussehenden Männern“. Eine fatale Fehleinschätzung der Wirkung westfälischer Charakterköppe . . .
So wurde er halt Philologe, zumal auch zwei andere Berufswünsche an ihm unüberwindlich scheinenden Hürden scheiterten: das Priesteramt am Zölibat und der Arztberuf an Demmings Unfähigkeit, den Anblick von Blut zu ertragen. Das hat den Münsteraner allerdings nicht gehindert, sich auf einem medizinischen Feld ehrenamtlich zu engagieren: Er hat inzwischen 230-mal Blut gespendet, wie er lächelnd erzählt – „mehr als einen Hektoliter“.
Wolfgang Schemann