Prof. Dr. Franz-Josef Jakobi

Engagement in der Trümmergesellschaft


Die Stadt Münster war zu mehr als 60 Prozent zerstört, die Innenstadt sogar zu mehr als 90 Prozent. Gas und Strom gab es so gut wie überhaupt nicht und wegen der rund 2500 Rohrbrüche kamen nur 30 Prozent des geförderten Trinkwassers bei den Verbrauchern an. Das war, wie Prof. Dr. Franz-Josef Jakobi, langjähriger Leiter des Stadtarchivs, in seiner Einleitung referierte, die katastrophale Bilanz von NS-Herrschaft und Bombenkrieg, mit der sich die Münsteraner nach dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert sahen. Doch trotz der desillusionierenden Ausgangslage, so Jakobi, habe es eine starke Bürgerbewegung zur Beseitigung der Kriegsschäden und für die Wiederherstellung des Gemeinschaftslebens in der Innenstadt gegeben. Als prominentes Beispiel für das Bürgerengagement dieser Zeit nannte er den Wiederaufbau des Rathauses, das wichtigste kommunale Vorhaben der Nachkriegszeit: „Die organisatorische Leitung lag nicht etwa bei der Verwaltung mit ihren Bauabteilungen, sondern beim Verein der Kaufmannschaft.“ Bürgerengagement spielte auch beim Wiederaufbau anderer Lebensbereiche eine wichtige Rolle, wie Jakobi ausführte:

 

Kirchliches Leben: Hier fand, so Jakobi, der Wiederaufbau in erster Linie in den Pfarrgemeinden, Vereinen und Verbänden statt, die auch während der Nazi-Zeit und des Krieges Mittelpunkt des Glaubenslebens geblieben waren. Viele zerbombte Kirchen wurden unter Beteiligung der Gemeindemitglieder wieder aufgebaut. Schon im Sommer 1945 entschied sich das Domkapitel, den Dom wiederherzurichten.

Sport: Die unmittelbar nach Kriegsende wiedergegründeten Traditionsvereine Turngemeinde Münster von 1862, Schwimmvereinigung Münster von 1891, Sportclub Preußen Münster 06 und Sportclub Münster 08 widmeten sich dem Wiederaufbau der Sportstätten und des Sportbetriebs. Alles geschah durch den ehrenamtlichen Einsatz ihrer Mitglieder, wie Jakobi betonte. Als Dachverband zur Koordination der ehrenamtlichen Arbeit und der Kontaktpflege zur Kommunalpolitik wurde 1949 der Stadtverband für Leibesübungen (heute: Stadtsportbund) wiederbegründet.

Theater: Der Hunger nach Kultur, so Jakobi, trieb die Menschen an und führte zu einem erstaunlichen Wiederbeginn des Musik- und Theaterlebens in der Trümmergesellschaft – nach der Devise „Theater tut not“. So habe es bereits im Mai 1945 erste Bemühungen zur Wiederbelebung des Spielbetriebs gegeben, im Juni 1945 fand ein erstes Open-Air-Konzert im Schlossgarten statt. 1952 wurde die Gesellschaft der Musik- und Theaterfreunde gegründet, die sich als Bürger-Initiative zur Förderung des Theaterneubaus verstand. Und bereits 1956 war das neue Theater fertig, so Jakobi – sogar noch vor dem Rathaus.